Mein erster Besuch in der Kaisergruft war anlässlich meiner Schulabschlussfahrt Mitte der siebziger Jahre und dann wieder etwa zehn Jahre später bei meinem nächsten Wienbesuch. Da seither doch viele Jahre vergangen sind war es wieder an der Zeit für einen Besuch und jetzt natürlich auch für einen Bericht darüber. Vielen Dank an dieser Stelle bei den Kapuzinern für die Erlaubnis Fotografieren zu dürfen und die Aufnahmen hier zu veröffentlichen.
Die Gruft liegt sehr zentral im ersten Bezirk zwischen dem Stephansdom und der Hofburg am Neuen Markt (parallel zur Kärntner Straße) unter dem Kapuzinerkloster und wird von den gleichnamigen Ordensbrüdern, den Kapuzinern, betreut. Vom Stephansplatz aus sind es weniger als 500 m zu gehen.
Wo könnte man sowohl das morbide als auch das royale Wien besser in Einem erkunden als in der Kaisergruft, auch Kapuzinergruft oder Kaisergruft bei den P.P. Kapuzinern in Wien genannt. In den Grufträumen befinden sich die sterblichen Überreste von 150 Persönlichkeiten der Habsburger und Habsburg-Lothringer in Wien. Hier ruhen die Überreste der Herrscherinnen und Herrscher jener Dynastie, in deren Reich einmal die Sonne nicht unterging. Ein Rundgang durch die Kapuzinergruft führt durch die österreichische und europäische Geschichte, vom Dreißigjährigen Krieg über Revolutionen bis hin zu ersten Ideen für ein vereintes Europa.
Die heutigen Grufträume sind das Ergebnis zahlreicher Um- und Ausbauten und sie zeichnen ein zeit- und kunsthistorisches Bild von 400 Jahren Herrschaft und deren Ende. Die größten Künstler ihrer Zeit gestalteten die Grufträume, auf den Särgen zeugen vielfältige Symbole der Macht vom imperialen Anspruch der Dynastie sowie viele Sinnbilder der Vergänglichkeit und des Glaubens.
Die Geschichte der Kaisergruft
Kaiserin Anna von Tirol (1585-1618) stiftete 1617 testamentarisch das Kapuzinerkloster und verfügte den Bau der Gruft. Ein Jahr später starb sie, im Jahr darauf ihr Mann, Kaiser Matthias. Begonnen wurde der Bau unter seinem Nachfolger Ferdinand II. im Jahr 1622. Wegen des Dreißigjährigen Krieges dauerte der Bau elf Jahre. Nach der Fertigstellung im Jahr 1633 wurden die Särge von Anna und Matthias in die Gruft überführt. Seither wurde die Gruft insgesamt achtmal erweitert. Anna ist durch ihre Stiftung die eigentliche Begründerin der Kaisergruft.
Kaiser Ferdinand III. gab den ersten Auftrag zur Erweiterung der Gruft. Dadurch schuf er die Grundlage zum Ausbau der Kaisergruft zu einer Erbbegräbnisstätte der Familie Habsburg (später Habsburg-Lothringen). In den Jahren 1908 / 1909 wurde anlässlich des 60-Jahre-Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. der nach ihm benannte Teil erweitert. 1909 wurde elektrisches Licht installiert. Die bisher letzte Erweiterung (Neue Gruft) fand von 1960 bis 1962 im Auftrag der Republik Österreich statt.
Als bisher letzte Bestattung fand die von Otto Habsburg, Sohn des letzten Kaisers von Österreich, und seiner 2010 gestorbenen Frau Regina von Sachsen-Meiningen am 16. Juli 2011 statt. Der letzte Kaiser selbst, Karl I. (reg. 1916–1918), ist nach wie vor an seinem letzten Exilort, Funchal auf Madeira, bestattet. Die letzte Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, Zita, wurde jedoch hier bestattet.
Die Leopoldsgruft
Wir beginnen unseren Rundgang in der hochbarocken Leopoldsgruft, die unter dem Hauptschiff der Kirche liegt. Imposante Pfeiler unterteilen den Raum in drei Schiffe mit Kreuzgewölben. Der junge Kaiser Leopold I. verfügte 1657 einen Ausbau der Gruft, denn die kleine Gründergruft hatte kaum noch Platz gefunden für den Sarkophag seines im selben Jahr verstorbenen Vaters, Ferdinand III.
Die Leopoldsgruft beherbergt 16 Sarkophage, die Herzurne von Kaiserin Claudia Felicitas, den Herzurnenepitaph Maria Annas, Königin von Portugal und in zwölf Arcosolien ruhen 12 schlichte, schmucklose Kindersärge aus dem 17. Jahrhundert.
Die Gründergruft
Die Gründergruft ist der älteste Teil der Kaisergruft (1622-1632), der auf die Stiftung der Kaiserin Anna von Tirol zurückgeht und unter der Kaiserkapelle liegt. Der Raum ist niedrig, schmuck- und fensterlos und durch ein barockes Gitter von der Leopoldsgruft getrennt. Hier stehen die schlichten, truhenähnlichen Sarkophage des Stifterpaares, Kaiserin Anna und Kaiser Matthias.
Die Karlsgruft
Die spätbarocke Karlsgruft liegt direkt unter dem Altarbereich und dem Mönchschor der Kapuzinerkirche und fasziniert durch einige der schönsten Arbeiten der Kapuzinergruft. Sie ist als Fortsetzung der Leopoldsgruft angelegt und wurde 1710-1720 unter Kaiser Joseph I. und unter Kaiser Karl VI. von Lukas von Hildebrandt erbaut. In der Karlsgruft ruhen 7 Sarkophage und die Herzurne von Kaiserin Amalia Wilhelmina.
Die Maria-Theresien-Gruft
Die Maria-Theresien-Gruft ist der glanzvollste Vergrößerungsbau der Kapuzinergruft. Das im Stil des Rokoko gehaltene Mausoleum wurde 1753-1754 unter dem Sakristeigarten erbaut. Der lichtdurchflutete Kuppelraum ist nach den Vorgaben des Kaiserpaares Franz I. Stephan und Maria Theresias mit einem Kuppelfresko Josef Ignaz Mildorfers und einem prunkvollen Doppelsarkophag gestaltet, auf dem die vollplastischen, einander zugewandten Bildnisse des Kaiserpaares thronen.
In der Maria-Theresien-Gruft fanden 16 Personen ihre letzte Ruhestätte: 15 Habsburger – das Kaiserpaar und jene ihrer Kinder, die vor der Kaiserin gestorben sind – sowie die Reichsgräfin Fuchs-Mollarth, die Erzieherin Maria Theresias.
Die Franzensgruft
Nach dem Wiener Kongress, 1824, beschloss Kaiser Franz II. (I.) eine neuerliche Erweiterung der kaiserlichen Begräbnisstätte, da in der Kapuzinergruft weder Platz für ihn noch für seine Nachkommenschaft vorhanden war. Der Kaiser gab den Auftrag, eine neue Grabkammer anzulegen, in Anlehnung an die Baugestalt der Maria-Theresien-Gruft und im rechten Winkel zu dieser. Die Franzensgruft ist achteckig und im Stil des Biedermeier gehalten. In symmetrischer Anordnung der Sarkophage ruhen hier Kaiser Franz II. (I.) und seine vier Gemahlinnen.
Ursprünglich waren 11 Personen in der Franzensgruft bestattet, darunter Kaiserin Maria Ludovica, genannt Marie Louise, zweite Gemahlin Napoleons, die heute in der Neuen Gruft ruht, und ihr Sohn, Joseph Karl Franz (Napoleon II), der Herzog von Reichstadt, dessen Sarg 1940 nach Paris überführt wurde.
Die Ferdinandsgruft
Nördlich an die Franzensgruft schließt die etwas kühl wirkende Ferdinandsgruft an. Der Bau des hohen Nischenzentralraumes erfolgte 1842 gleichzeitig mit dem Neubau des baufällig gewordenen Klosters im Auftrag Kaiser Ferdinands I.
Die Nischen sind heute zugemauert, nur vier Marmortafeln verraten die Namen jener 37 Habsburger, die in einer großangelegten Umbettungsaktion 1960 hier bestattet wurden, um die Platznot in der Toskanagruft zu mildern. In der Gruft selbst sind Kaiser Ferdinand I. und seine Gemahlin Maria Anna in Prunksarkophagen bestattet.
Die Toskana-Gruft
Zeitgleich mit der Ferdinandsgruft wurde die langgestreckte Toskanagruft von Hofbaumeister Johann Höhne errichtet. Der Name stammt von der durch Kaiser Franz I. Stephan begründeten Nebenlinie Habsburg-Toskana.
Der Gruftraum mit fast fünfzig Särgen glich ursprünglich einem unansehnlichen Sargdepot, heute beherbergt er durch den Zubau der Neuen Gruft und die Umbettung zahlreicher Leichname in die Wandnischen der Ferdinandsgruft nur mehr 14 schlicht gearbeitete Sarkophage.
Neue Gruft
Die Neue Gruft wurde 1960-1962 im realistischen Stil der sechziger Jahre unter dem Klostergarten erbaut, ihre rohen Betonwände vermitteln den Eindruck eines ausgeschachteten Grabes.
Durch Umgruppierungen in der Kapuzinergruft beherbergt sie 26 Sarkophage aus drei Jahrhunderten und entlastete somit die beengte Gruft. An der westlichen Schmalseite wurden die Särge der aus der Habsburger Dynastie stammenden geistlichen Würdenträger untergebracht, an der östlichen Schmalseite die Eltern und Verwandten von Kaiser Franz Joseph I.
Die Franz-Josephs-Gruft
Anlässlich seines 60. Regierungsjubiläums hatte Kaiser Franz Joseph I. 1908 weitere Kellerräume des Klosters in die Gruft einbeziehen lassen und den Auftrag gegeben, eine Kapelle und ein würdiges Mausoleum für sich, seine Gattin Kaiserin Elisabeth (Sisi) und den Thronfolger, Kronprinz Rudolf, zu gestalten.
Nach Fertigstellung der Gruft und der anschließenden Kapelle wurden die ursprünglich in der Ferdinandsgruft aufgestellten Särge von Elisabeth und Rudolf überführt sowie nach fast 150 Jahren wieder ein Altar errichtet. Noch heute liegen am Grab von Kaiserin Elisabeth Blumen und an sie gesandte Briefe.
Die Gruftkapelle
Gemeinsam mit seinem Mausoleum beauftragte Kaiser Franz Joseph die Gruftkapelle. Der Gedenkraum wurde wie die Franz-Josephs-Gruft im sezessionistischen Stil errichtet. Sie beherbergt eine Gedenkbüste des letzten habsburgischen Kaisers Karl I., den Sarg seiner 1989 verstorbenen Gattin Kaiserin Zita, seines Sohnes Carl Ludwig sowie Sohn Otto und dessen Gattin Regina von Sachsen-Meiningen.
Begräbniszeremonien
Bei den Begräbnissen der Habsburger in der Kapuzinergruft waren bestimmte Bräuche und Zeremonien üblich, die auf religiöse und praktische Gründe zurückzuführen sind.
Begräbnisse von Monarchen wurden als Staatsbegräbnisse mit besonderer Prachtentfaltung durchgeführt. Bereits wenige Stunden nach dem Tode wurde der Leichnam seziert, Herz und Eingeweide entnommen und der Körper konservierend behandelt, um den Verfallsprozess zu verlangsamen. Dies diente unter anderem dazu, dass die Leichname die mehrtägigen Trauerfeierlichkeiten überstehen und auf dem „Schaubett“ möglichst wirklichkeitsgetreu und pietätvoll präsentiert werden konnten.
Körper, Eingeweide und Herz wurden getrennt bestattet, wobei sich für den Ort der Bestattung eigene Traditionen herausbildeten: König Ferdinand IV. (1633–1654) verfügte, dass sein „Hertz unnser Lieben Frawen Maria zu Loreto unter Ihre Füess legen und begraben [werden] sollte“. Damit wurde die Tradition begonnen, die Herzen in Silberbehältern in der Herzgruft der Habsburger in der Augustinerkirche und die Eingeweide in der Herzogsgruft des Stephansdoms zu bestatten. Im Laufe der Zeit erhielten 41 Habsburger eine „Getrennte Bestattung“ mit Aufteilung ihres Körpers auf Kaisergruft, Herzgruft und Herzogsgruft.
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Informationen
Adresse: Tegetthoffstraße 2 (Neuer Markt), 1010 Wien (1. Bezirk)
Telefon: +43 1 512 68 53 88
Öffentliche Verkehrsmittel: U1 / U3 Station Stephansplatz (500 m) | U1 / U4 Station Karlsplatz (650 m) | Trambahn 1, 2, 71, D Station Karlsplatz/Oper
Öffnungszeiten: Täglich zwischen 10 und 18 Uhr. Letzter Einlass um 17.30 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene 8,00 € | Jugendliche bis 18 Jahren 4,80 € | Familienkarte 17,50 €
Instagram: Kapuzinergruft
Quellen: Website Kapuzinergruft und Wikipedia